Mallorca 2013

IMG_0223Mallorca im April 2013

Vorurteile dienen in erster Linie dazu, die eigene geistige Bequemlichkeit zu pflegen um uns davor zu bewahren, die einmal gefasste Meinung zu überdenken. Was Mallorca angeht passte ich genau in dieses Denkschema. Die Neuausrichtung meines Malle-Bildes begann, taktisch klug gewählt von meinem Umfeld, ausgerechnet beim Grünkohlessen. Grünkohl isst man im Winter, und wovon träumt da der Radler? Laue Lüfte, blauer Himmel, milde Sonne, Kurzarm-Trikot und tausend Gleichgesinnte auf Traumstrecken mit Meeresblick. Der weibliche Feinbohrer an meiner Seite hatte eigentlich schon vor Jahren aufgegeben, mich mit oder ohne Rad auf diese Insel zu bekommen, doch jetzt mit Vereinsunterstützung war die Chance der Gegenrede minimal und zwei Pils später kam sogar der Wunsch auf, mit nach Mallorca zu fliegen. Willenserklärungen in diesem Zustand sind eigentlich revidierbar, wäre aber nicht westfälisch mannhaft, daher musste das Abrücken vom „niemals Malle“ natürlich mit einer gewissen Haltung geschehen. Die Wahrung des häuslichen Betriebsfrieden wurde nach vorn gestellt und nichts anderes. Das war vor Malle.

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Und jetzt? Geläutert und dankbar. Die vertraute Runde vom Grünkohlabend war bereits vor Ort, Manni und Doris S. landeten gleichzeitig und sorgten für sofortigen Abbau der Berührungsängste und schon erreichte uns die SMS mit dem aktuellen Standort der Gruppe. Kaum Gelegenheit all die Wetterwunschträume real zu genießen-blau, lau, sonnig.

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Mit Dirk A. und Lothar B. als fast Einheimische, Wolfgang und Martina F. als erfahrene und Manni und Dodo S. als ehemalige Mallorca-Fahrer waren wir Neulinge, Doris B. und Volker K., in besten Händen und wohl behütet. Beim Abendessen schlug die Reiseleitung die Tour für den nächsten Tag vor, die Erläuterung zum Streckenprofil sorgte schon beim Zuhören für leichte Schnappatmung, denn im Gegensatz zu den mir bekannten Inseln mit drei Bergen zeigt sich dieses Archipel hochalpin. Wenige Minuten nach dem ersten Start in das „leicht wellige Hinterland“ (O-Ton Dirk) war ich dankbar über das eigene Rad, das im Handgepäck mitreiste. Denn wellig und hügelig sind relative Äußerungen aus dem jeweiligen Betrachtungswinkel, mein Winkelmesser war ganz anders justiert. Gemeinsam geht’s leichter, alter Spruch, neue Erkenntnis und die Gruppe hat alles getan, dies zu bewahrheiten.

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Petra hieß das Ziel, ein Schelm wer nicht ans Radeln denkt, und die Eroberung hat sich gelohnt. Mittagsrast auf beschaulichem Marktplatz war die Ansage, hunderte hatten dies mitgehört, ein Multi-Kulti Treffpunkt sortiert nach bunten Trikotfarben. Schon nach der ersten Etappe kam die Erkenntnis über die Notwendigkeit der richtigen Ernährung, ab jetzt unter Aufsicht von Wolfgang und Dirk. Auch wenn sich die Beine taub stellten, mit dem fürsorglichen Blick eines Feldwebels und dem treusorgenden Tonfall dieser Berufsgruppe hatte der Rest des Körpers zu gehorchen: das Gel wird jetzt genommen, der Riegel gegessen, die Flasche getrunken, Wolfgang hatte gesprochen, der Körper folgte. Strapazierte Muskeln haben einen gewissen Magnesiumbedarf, nicht unbekannt, aber leicht vergessen. Dirk vergisst nie-sein Magnesium, zu meinem Glück. Dicke Beine verursachen schlappen Geist, Demotivationsabhilfe kam aus seiner Trikottasche. Der Erfahrungsträger erkennt die Schwäche und hilft weiter und Lothars Devise war eindeutig, es geht gemeinsam weiter, Du wirst gleich merken, es geht und gleich sehen, es lohnt sich.

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Etappenziele wie Inca und Sineu hätten ohne diese Bergführer nicht auf meinem Programm gestanden und das wäre ein absolutes Versäumnis gewesen. Auch Anstiege haben ihren Reiz und Höhepunkt ist stets der Gipfel: Aussicht genießen zusammen mit anderen Helden. Über eine der schönsten Aussichten wurde manchmal nur geredet, war aber nie das erklärte Ziel: Randa-eine Klosteranlage auf der Kuppe eines Berges. Schlösser, Burgen oder Klöster, in diesen unverbaubaren Lagen findet sich selten anderes, die einen fürchten talwärts gemeuchelt zu werden, die anderen wähnen sich ihrem Ziel etwas näher. Aber sicherlich war es nicht beabsichtigt, einen markanten Treffpunkt zu schaffen, kann im Nachhinein aber als gelungen bezeichnet werden.

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Die zum Ende des Aufenthaltes reduzierte Gruppe musste ausgerechnet durch die Kleinste im Bunde animiert werden, den Aufstieg zu wagen. Man möge sich hinterher nicht über ein Versäumnis ärgern, so Doris,und jetzt, wo man schon mal da ist, die Gelegenheit nutzen; eindeutige Argumente, für die Manni immer ein offenes Ohr hat. Ich war auf verlorenem Posten. Aber gleich zwei Alternativen boten sich an, eine schattige Bank am Fuße des Anstieges und 50 m talwärts ein einladendes Straßenkaffee. Bloß was hätte ich darüber berichten sollen, ein neuer häuslicher Spitzname wäre übrig geblieben: der auf der Bank pennt o.ä. Den beiden zu folgen war ab jetzt der Wille. Und dann kam der Motivationsschub schlecht hin. Manni stand neben seinem Rad 100 m voraus und ich fuhr noch. Das Ende aller Illusionen holte mich ein, sein Blick war nicht auf die Wade gerichtet, sondern eine Pedale hatte sich an Manni‘s Rad gelockert und in meiner Satteltasche war der passende Inbus. Alles was wir uns von der Gipfelankunft versprochen hatten wurde erfüllt mit einer Aussicht über die halbe Insel.

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Sollte bisher der Eindruck vorherrschen, nichts als Radfahren sei der Tagesinhalt gewesen-mitnichten. Flüssigkeitsverlust gilt es zu auszugleichen und in der warmen Nachmittagssonne gemeinsam zu schwätzen, von Dodos und Martinas Ausflügen zu hören, sich mit kleinen Tapas verwöhnen zu lassen, das hatte schon einen hohen Genussfaktor. Wenn dann auch noch die Großleinwand für das Málaga-Spiel reserviert wird, der BVB dieses Spiel dramatisch gewinnt, an Tagen wie diesen wünscht man sich eine Verlängerung-der Urlaubswoche.

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Zugegeben, anfangs habe ich nur schwarz gesehen, Rennhosen, Hinterräder, Ritzel und erst langsam den Blick für die Landschaft gefunden, so ist es nicht überraschend, dass mein Insel-Highlight der Ruhetag war. Das Malle-Bild hat sich an diesem Samstag erst richtig gewandelt, nach einem wunderschönen Stadtbummel mit Wolfgang und Martina durch Palma. Eine historische Stadt mit Niveau, auf die Wiederholung freue ich mich jetzt schon.

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Vorurteil revidiert, absolut, Mallorca mon amour, noch nicht so ganz, aber mit Euch im Frühjahr zum Radeln gern wieder – wenn ihr mich mitnehmt.

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Volker