Für Friedhelm
Planung, Vorbereitung und Vorfreude sind feste Bestandteile einer jeden Tour. Als Ergebnis des Planspiels sollte stets ein hoher Grad an Wunschvorstellungen erfüllt werden, eigentlich kaum möglich, aber jedes Jahr wird’s neu probiert. 2014 sollte keine Ausnahme werden. Zwischen zwei grundsätzlichen Wunschgedanken, Stern- oder Etappenfahrt, galt es zunächst abzuwägen und der gute Kompromiss war eine Kombination aus beidem. Am Rand der Domstadt Speyer, in Dudenhofen zeigte sich die Pfälzer Küche gleich zum Start von ihrer besten Seite, eine gute Voraussetzung für den Beginn unserer Tour. Wissembourg am Rand der Nordvogesen hieß das malerische Etappenziel am ersten Tag mit einer Altstadt im Zentrum, die diesen Namen echt verdient: kleine Gassen, Fachwerkfassaden, komplett französische Gastronomie, somit gute Küche und teures Bier.
Natürlich wollten die Routenplaner am nächsten Tag den Weg mit den schönsten Aussichten – nach Norden in den Pfälzer Wald, nach Süden in die Ausläufer der Vogesen -, dem Team nicht vorenthalten. Aber wie das so mit den Aussichtspunkten ist, sie sind allemal am höchsten Punkt, weit gucken geht nur von ganz oben. Der Weg dorthin begann quasi hinterm Hotel und zog sich stetig und steil, Schweißtropfen trübten den Blick fürs Schöne, die Planer versuchten sich der Kritik durch Flucht zu entziehen -vergeblich (Wiedergutmachung für böse Taten in der üblichen Währung). Wer geglaubt hat, mit Wissembourg sei der Höhepunkt schöner Ortschaften erreicht, sah sich mehr als einmal überrascht, unser Streifzug über die Höhen Richtung Südwesten führte durch Dörfer, die offensichtlich alle im Wettbewerb mit einander stehen, gepflegter und blumenreicher zu sein als der Nachbar. Climbach, Lembach, Col du Pfaffenschlick, wer kannte vorher schon die Namen, sie alle sind im Hinterkopf geblieben mit der heimlichen Hoffnung auf ein Wiedersehen, obwohl böse Zungen behauptet haben, das schönste an der Strecke von Lembach über Wörth nach Kutzenhausen seien die steilen Abfahrten gewesen, aber das stimmt wirklich nicht.
Das Rotweindorf, so nennt man Kappelrodeck an der Badischen Weinstraße, war unser zweites Etappenziel. Die Anstiege am Vormittag in den Nord-Vogesen machten sich nachmittags auf den langen Geraden am Rhein entlang doch bemerkbar, die Rheinfähre bei Drusenheim hätte ruhig etwas länger fahren dürfen…Der Gegenwind auf der Deutschen Rheinseite zeigte sich EU-mäßig angepasst, Windschatten war angesagt und leichte Konditionsmängel nicht immer zu verheimlichen (die Tempobolzer, Konditionswunder und Schattenspender wollen an dieser Stelle ausdrücklich nicht genannt werden). Mit Ankunft am späten Nachmittag im „Hirschen“ zeigte sich dem Kennerblick, die Wiederherstellung in den Urzustand unserer gestählten Körper wird Sache weniger Minuten. Kleiner Biergarten unter hohen Bäumen direkt über dem Ufer der Acher, das mitfühlende Personal erhörte unser stummes Wehklagen und antwortete mit zügiger Bedienung, die Speisekarte zur vorbeugenden Einsichtnahme ließ keine Zweifel aufkommen, hier liegen wir richtig.
Gelabt, gestärkt und frohen Mutes am nächsten Morgen wieder auf’s Rad brachte gleich die Erkenntnis, auch Weinberge sind Berge. Und wenn man aus dem Tal der Acher der Weinstraße ein Stück folgt, müssen eben diese überwunden werden. Die zukünftige Verköstigung des abendlichen Weines geschieht ab jetzt unter anderen Gesichtspunkten, Steil-und Hanglagen erfahren beim Kauf eine ganz andere Würdigung. Selbst unser Navigationssystem zeigte sich beeindruckt und trug das seine dazu bei, dass man sich in Weinbergen auch versteigen kann. Einzig unser Begleitfahrzeug zeigte keine Reaktion und folgte uns in jedes Nadelöhr, jedenfalls so lange bis sich ein gewisser Korkeneffekt einstellte und die Vollsperrung der Nebenstrecke vollzogen war. Freundliche Einheimische wussten weiter und wiesen den rechten Weg…Den zeigten uns auch in Rust eine Gruppe Radler auf der Suche nach einer Mittagsrast. Montags ist Ruhetag und daran ändert auch der naheliegende Europa Park nichts.
Die Km-Angaben über den Rest der Etappenfahrt nach Mehrdingen waren recht unterschiedlich und der Blick auf die Karte täuschte. Es zog sich doch auf den letzten Kilometern, immer unterhalb des Kaiserstuhls mit leicht welligem Streckenprofil, durch Ihringen-Deutschlands wärmsten Ort-bis an den Fuß des Tuniberg.
Jan-Ullrich-Platz in Merdingen, keine Adresse ist passender für Radsportler, zudem im Haus des Fanclub Vorsitzenden, war ab jetzt unser Start-Ziel Punkt für die Sternfahrten. Im Gasthof Keller sind Radler gut untergebracht und was der Chef aus der Küche auf den Tisch bringt ist wirklich gut. Wir konnten gut nachvollziehen, dass Jan Ullrich stets mit Pausbacken und Hüftgurt aus der Winterpause in die Saison gestartet ist, hier zu leben und der heimischen Küche zu widerstehen, für Genussmenschen schwieriger als Aubisque und Tourmalet an einem Vormittag. Jenseits jeder eisernen Disziplin haben wir trotzdem jeden Morgen pünktlich aufgesattelt, die Möglichkeiten zwischen Schwarzwald und den Vogesen sind so vielfältig, dass man die Qual der Wahl hat, welche Tour man wählt. Ob Bad Krozingen hier oder Ribeauville‘ und Riquewihr dort, wir haben nichts ausgelassen und können diese Region auch Radlern empfehlen, die nicht mit Rennrad unterwegs sein möchten.
Volker Korth
p.s.
Zum Zeitpunkt der Trauerfeier für unseren Sportkameraden Friedhelm Hoffmann haben wir an einem Kreuz am Wegessrand mit einer Schweigeminute seiner gedacht. Sein plötzlicher Tod hat uns sehr getroffen.